Neun Tipps zur psychischen Gesundheit in Zeiten des Coronavirus

Seit dem Frühjahr 2020 finden wir uns in einer Situation wieder, die wir so bisher noch nie erlebt haben. Das Coronavirus stellt unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sowie jede*n Einzelne*n vor neue Herausforderungen. Das wirft viele Fragen auf und einige Menschen spüren Angst und Unsicherheit in dieser Zeit.

In Folge stelle ich Ihnen neun Tipps vor, wie Sie auch in Zeiten der Pandemie oder sogar während Maßnahmen wie Lockdowns auf Ihre psychische Gesundheit achten können. Diese Empfehlungen können recht einfach und von zu Hause aus umgesetzt werden.

1. In Kontakt bleiben

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu vermindern, kann es zum Beispiel während Lockdowns wichtig sein, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben und die physischen sozialen Kontakte zu reduzieren. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir auf unsere sozialen Beziehungen gänzlich verzichten sollten – im Gegenteil. Gerade dann ist es wichtig, mit lieben Menschen in Kontakt zu bleiben. Dazu gibt es heute eine Vielzahl an technischen Möglichkeiten: angefangen beim Telefon bzw. Handy über diverse Nachrichten- und Videotelefoniedienste bis hin zu sozialen Netzwerken. Wie wäre es denn, mit einer lieben Freundin oder einem Freund einen fixen Telefontermin pro Woche zu vereinbaren? Oder mit Familienmitgliedern in einer Chatgruppe gegenseitig aufmunternde Worte zu teilen?

2. Tagesstruktur aufbauen

Für viele Menschen bedeuten die Corona-Maßnahmen eine merkliche Änderung ihres gewohnten Tagesablaufs. Sei es durch veränderte oder sogar entfallende Arbeitszeiten und Pendelwege, durch den Spagat zwischen Home Office und Home Schooling oder durch ein erhöhtes Arbeitspensum. In jedem Fall ist es ratsam, entlang dieser veränderten Rahmenbedingungen seine eigene Tagesstruktur anzupassen oder eine neue aufzubauen.

Wir Menschen sind bis zu einem gewissen Grad „Gewohnheitstiere“ und Routinen können uns sehr hilfreich sein. Eine Tagesstruktur, die freilich individuell auf die eigene Situation angepasst wird, gibt uns Halt und Orientierung. Gerade das ist in einer doch recht ungewissen Zeit sehr wertvoll. Ich habe sieben Tipps zum Aufbau einer Tagesstruktur zusammengestellt. Lesen Sie hier mehr darüber.

3. Zeit genuss- und sinnvoll nützen

Welches Buch aus Ihrem Regal wollten Sie schon immer mal lesen, hatten aber nie dafür Zeit? Welche Lade oder welche Kiste sollte die längste Zeit schon mal ausgemistet werden, wurde aber schon lange nicht mehr geöffnet? Vermutlich kennen die meisten von uns Dinge, die gerne aufgeschoben und dann nie wirklich umgesetzt werden. Zu wenig Zeit, zu geringe Wichtigkeit, zu langwierig – Begründungen gibt es genug. Die jüngsten Corona-Entwicklungen halten uns dazu an, viel mehr Zeit als üblich zu Hause zu verbringen. Wie wäre es, wenn Sie aus der Not eine Tugend machen und dies als Chance sehen, mal all die Dinge zu machen, für die im „stressigen Alltag“ keine Zeit bleibt? Gerade in unserer zeitoptimierenden Gesellschaft wird das Wort „Muße“ kaum gelebt. Nun werden wir recht plötzlich zur Entschleunigung angehalten. Da wäre es doch einen Versuch wert, die Zeit zu Hause mögichst bewusst, genuss- und auch sinnvoll zu nutzen.

4. Bewusster Medienkonsum

Gerade in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie ist es wichtig, informiert zu bleiben. Zum Beispiel, welche gesetzlichen Änderungen es zur derzeitigen Lage gibt, wie die Supermärkte offen haben oder welche Hygienemaßnahmen tatsächlich gegen die Ausbreitung des Virus helfen. Allerdings gilt auch beim Konsum von Nachrichten, Informationssendungen oder anderen Medien: die Dosis macht das Gift. Achten Sie darauf, dass Sie Medien bewusst konsumieren. Dazu zählen TV- und Radio-Sendungen genauso wie Online-Medien und soziale Netzwerke. Zum einen ist es wichtig, wahrheitsgetreue Informationen von sogenannten „Fake-News“ zu unterscheiden. Zum anderen ist es wenig sinnvoll, den ganzen Tag oder auch über mehrere Stunden in Medien vertieft zu sein. Auch wenn sich die Rahmenbedingungen immer wieder rasch ändern, reicht es, wenn Sie ein bis zwei Mal am Tag Informationen abrufen.

5. Aus eigener Erfahrung lernen

Jede*r von uns hat schon diverse kleine oder große Krisen gemeistert. Sei es eine Trennung, ein Misserfolg in der Schule oder der Arbeit, ein schwieriger Streit und so weiter. Erinnern Sie sich – was hat Ihnen damals geholfen, durch diese schwierige Zeit zu kommen? Vielleicht können Sie auch gemeinsam mit Freund*innen und Familie zusammenfassen, was damals hilfreich war und was von diesen Erfahrungen nun auch in der aktuellen Situation rund um den Coronavirus nützlich und anwendbar sein könnte.

6. Ruhe und Humor bewahren

Auch wenn wir derzeit in einer bisher unbekannten und neuartigen Situation sind: bleiben Sie ruhig und achtsam. Besinnen Sie sich auf all das, was Sie im Moment selbst kontrollieren können. Und hier stehen Ihre Gedanken und Ihre psychische Gesundheit an erster Stelle. Tun Sie sich im Rahmen Ihrer Möglichkeiten etwas Gutes. Das können ein entspannendes Bad, das Hören Ihrer Lieblingsmusik, ein ausgiebiges Telefonat mit Freund*innen, das Lernen einer neuen Fähigkeit, Meditation, eine Niederschrift Ihrer Gedanken, das Schauen Ihrer Lieblingsserie und so weiter sein. Wie ein altes Sprichwort schon sagt, ist Lachen ja die beste Medizin – vielleicht sehen Sie sich einen unterhaltsamen Film oder eine witzige Sendung an oder tauschen mit anderen lustige Anekdoten von früher aus.

7. Bewegung und Entspannung

Achten Sie auf Ihren Körper und nehmen Sie sich bewusst Zeit sowohl für körperliche Aktivität als auch für entspannende Momente. Abhängig von Ihrer individuellen Lebens-, Familien- und Wohnsituation gibt es zahlreiche Möglichkeiten: ein Spaziergang an der frischen Luft, eine Lauf- oder Radrunde, ein Workout mit Hilfe von Online-Anleitungen im eigenen Wohnzimmer, gemeinsames Tanzen zur Lieblingsmusik mit allen Familienmitgliedern oder alleine, eine ausgiebige Dusche oder ein wohltuendes Bad, Übungen aus Yoga oder Pilates auf der Matte in Ihrem Zimmer, bewusste Atemübungen, eine kleine Auszeit auf Ihrem Balkon, in Ihrem Garten oder einfach im Freien, und so weiter. Sie wissen selbst am besten, welche Art der Bewegung und welche Methode der Entspannung hilfreich für Sie ist. Ideal wäre, wenn Sie sich sowohl für körperliche Aktivität als auch für Momente der Ruhe täglich ein gewisses Zeitfenster reservieren.

8. Achtsamer Umgang mit Gefühlen

Vielleicht spüren Sie gerade in den letzten Wochen mehr Angst und Unsicherheit als sonst? Oder Sie merken, dass Sie immer mehr Sorgen mit sich tragen oder über die Zukunft grübeln? Möglicherweise passiert aber auch das Gegenteil und Sie fühlen sich freudvoller und lebendiger denn je?

Wie auch immer Ihre Gefühlslage im Moment ausfällt – begegnen Sie Ihren Gefühlen achtsam und offen. Damit ist gemeint, dass alle Emotionen „erlaubt“ sind und Sie diese soweit möglich annehmen. Gerade in Zeiten der Ungewissheit und der Veränderung ist es durchaus normal und jedenfalls verständlich, dass bei vielen Menschen starke und unangenehm erlebte Gefühle wie Angst, Traurigkeit oder auch Stress zunehmen.

Angst ist eine Grundemotion, welche die Menschheit seit jeher begleitet. Auch wenn viele Menschen mit Angst ein „negatives“ Gefühl und Symptome wie Herzrasen, Beklommenheit oder Unwohlsein verbinden, so hat Angst auch ihre „sinnvollen“ Seiten. Beispielsweise zeigt sie uns an, dass wir gerade besonders wachsam und vorsichtig handeln sollten. In Folge ist es nachvollziehbar, dass uns Angst auch in der Corona-Zeit oftmals verstärkt begleitet.

Eine erste Hilfe bei starken Gefühlen oder zunehmenden Grübeleien könnte sein, dass Sie Ihre inneren Vorgänge (Emotionen, Gedanken) aufschreiben, sei es einmalig auf einem Blatt Papier oder als fortlaufendes Tagebuch. Ebenso kann das Gespräch mit einem lieben Menschen hilfreich sein. Versuchen Sie sich auch immer wieder positive Erlebnisse in Erinnerung zu rufen, sehen Sie sich Fotos an oder sprechen Sie mit Menschen aus Ihrem Umfeld über gemeinsam erlebte, schöne Momente.

9. Professionelle Begleitung in Anspruch nehmen

Falls Sie merken, dass Sie sich von Sorgen, Ängsten oder der Ungewissheit stark und dauerhaft beeinträchtigt fühlen, stehen Ihnen viele Möglichkeiten einer professionellen Unterstützung zur Verfügung. Neben zahlreichen kostenlosen Telefon-Hotlines können Sie sich auch an Psychotherapeut*innen in Ihrer Nähe wenden.

Achten Sie auf sich und bleiben Sie gesund!